Leseprobe

Ewald Fuchs: Frontbegegnungen
Erlebnisse 1940–1946
Auszug: S. 33–35


Glück im Gartenhaus
Weiter ging es in Richtung Focsani, das am Fuß der Karpaten im Süden Rumäniens liegt. In Galaz fragte ich Feldgendarmerie nach dem Weg. Das Wetter war immer noch grausig. Ich hielt mich an die Wegbeschreibung, bis ich in eine Ortschaft kam, die mir nicht ganz geheuer war. "Da ist ja kaum ein Mensch zu sehen", dachte ich und kehrte um, zurück nach Galaz.

Dort war mein erster Weg zur Ortskommandantur. Ich erzählte, wo ich herkam und auch, wer mir den Weg dorthin beschrieben hatte.

"Gut, dass du da nicht weitergefahren bist. Du wärst mitsamt deinem Motorrad verschwunden!"

Dann beschrieben sie mir den richtigen Weg nach Focsani. Weil es schon spät geworden war, fragte ich, wie es mit einer Unterkunft aussehe.
"Schlecht!", war die knappe Antwort.

Mir blieb nichts anderes übrig, als mich selbst in der Stadt nach einem Quartier umzusehen. Ich hatte einfach keine Lust mehr, am Abend noch weiterzufahren. Da traf ich auf ein großes, weißes Haus. Ich stand eine Weile davor und schaute mich um, bis ein rumänischer Offizier auf mich zukam: "Deutsch Kamerad, suchen Sie Quartier? Werden Sie hier nicht finden - meine Soldaten schlafen im Kuhstall."
Dann zeigte ich auf das weiße Haus. Er lachte: "Dort wohnen Bürgermeister, der nehmen nicht mal rumänisch Offizier!"

Im selben Augenblick kam ein gut gekleideter Herr im mittleren Alter auf mich zu und sagte: "Deutsch Kamerad, sei willkommen!"

Er ließ mein Motorrad in einem geschlossenen Schuppen unterbringen und nahm mich mit ins Haus. Ein Tisch wurde gedeckt, er reichte mir ein Glas Weißwein, und wir beide tranken in aller Gemütlichkeit. Er sprach gut Deutsch, so konnten wir uns mühelos unterhalten. Inzwischen kam das Abendessen auf den Tisch: An den Kochkünsten seiner Köchin war nichts auszusetzen. Nach dem Essen tranken wir noch von dem guten Wein. Wir waren bereits in sehr heiterer Stimmung.

Da erzählte er mir von seinem Gartenhaus. Es sei mit zwei Schlafzimmern, einem kleinen Wohnzimmer und einer Kochgelegenheit ausgestattet. Schließlich fragte er mich, ob ich mir was aus schönen Frauen machte. Was sollte ich sagen?
Er schlug vor, zwei nette Frauen, eine junge und eine etwas ältere, einzuladen: "Wenn ich sie bitte, werden sie kommen. Die jüngere ist für dich, sie ist sehr nett."
So verbrachten wir einen schönen Abend in seinem Gartenhaus.

Am frühen Morgen verabschiedete ich mich in aller Freundschaft und fuhr weiter nach Focsani. Dort fragte mich mein Batteriechef, wo ich denn gesteckt hätte, er habe schon am Abend zuvor mit mir gerechnet. Ich berichtete ihm von der Feldgendarmerie in Galaz, die mich in die völlig falsche Richtung geschickt hatte, und auch, dass mir diese Auskunft leicht zum Verhängnis hätte werden können.
Am nächsten Morgen wurde ich zu Leutnant H. gerufen: "Wo waren Sie mit meinem Rucksack? Meine Lederpantoffeln fehlen und zwei Flaschen Weinbrand!"

Na, wo war ich gewesen? Beim Bürgermeister in Galaz! Das Motorrad stand in einem verschlossenen Schuppen, der Rucksack lag im Seitenwagen, alles verschlossen. Der Bürgermeister hatte Pantoffeln und durchaus genug zu trinken gehabt. Wo die Sachen geblieben waren, war uns ein Rätsel.

[nach oben]