Baldur Haase
Briefe, die ins Zuchthaus führten.
Orwells "1984" und die Stasi. DDR-Erinnerungen 1948-1961
13 x 21 cm, gebunden,
224 Seiten, zahlreiche Fotos und Stasi-Dokumente.
ISBN 3-933336-32-5
EUR 19,80
George Orwell ließ grüßen.
20. März 1959: Vor dem 1. Strafsenat des Bezirksgerichts Gera muß
sich der neunzehnjährige Baldur Haase verantworten. Er ist angeklagt,
die DDR durch staatsgefährdende Propaganda und Hetze
angegriffen zu haben, indem er sich den Orwell-Roman 1984
aus Westdeutschland besorgte, ihn las und weiterverbreitete. Der Angeklagte
wird zu drei Jahren und drei Monaten Zuchthaus verurteilt.
Zuvor muß er während seiner zehnwöchigen Untersuchungshaft
fast täglich die Stasi-Verhöre erdulden. Eingesperrt in eine
winzige Zelle ohne sanitäre Einrichtungen und eingeschüchert
durch Drohungen und psychischen Druck, unterschreibt Haase Wunsch-Geständnisse,
die sein Strafmaß erheblich erhöhen werden.
Haases Geschichte beginnt im Jahr 1948, als er mit Eltern und Schwester
aus Böhmen nach Thüringen gelangt. Die Heimatvertriebenen bauen
sich in der DDR eine neue Existenz auf. Seine Schulzeit empfindet er als
freizügig, politischen Drill ist er gewöhnt. Doch zunehmend
sieht er das DDR-Regime kritischer. Durch Besuche im Westen wird er in
der Meinung bestärkt, der DDR-Staat kontrolliere und unterdrücke
seine Bürger.
Während seiner Lehrzeit als Offsetdrucker nimmt er an einem Deutschlandtreffen
der Arbeiterjugend in Erfurt teil. Dabei lernt er einen Jugendlichen aus
Duisburg kennen. Bald entsteht ein reger Briefwechsel. In seinen Briefen
macht er kein Hehl aus seiner negativen Einstellung zur DDR. Er ahnt nicht,
daß bereits sein gesamter Postverkehr überwacht wird. Noch
weniger kann er sich vorstellen, daß sein Schwager ihn bespitzelt,
und Berichte an die Stasi liefert. Der bleibt auch nicht verborgen, daß
sich inzwischen Orwells Roman 1984 in seinem Besitz befindet.
Beim Vergleich der realen DDR-Verhältnisse mit Orwells Schilderungen
im Buch wird sich Haase immer mehr der Unfreiheit bewußt, in der
er lebt. Das Buch wird sein Verhängnis, in der DDR ist es als staatsfeindliches
Hetzwerk eingestuft.
Inzwischen fühlt sich Baldur Haase als heimlicher Widerstandskämpfer.
Als ihn die Ahnung beschleicht, er könnte überwacht werden,
hält er sich mit kritischen Äußerungen in seinen Briefen
zurück. Da ist es bereits zu spät, am 13. Januar 1959 wird er
in Leipzig verhaftet.
Erst im Zuchthaus Waldheim erfährt Haase von Mithäftlingen das
ganze Ausmaß der Überwachung des DDR-Staates. Aufgrund von
Bemühungen seiner Eltern wird Baldur Haase nach zwei Jahren vorzeitig
entlassen. Er beginnt ein neues Leben, angepasst und psychisch gebrochen.
Bis zum Mauerfall dient er dem Staat ergeben im Kulturbereich.
Sachlich und selbstkritisch erzählt der Autor sein Schicksal, das
hier stellvertretend für viele politisch Verfolgte des DDR-Regimes
steht. Das Buch arbeitet ein dunkles Kapitel der Geschichte der DDR auf.
Die Erinnerungen werden von vielen Fotos des Autors und von Stasi-Dokumenten
aus seiner persönlichen Akte angereichert.
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