Stöckchen-Hiebe
Kindheit in Deutschland 1914–1933
52 Geschichten und Berichte von Zeitzeugen
Band
3 der Reihe ZEITGUT.
336 Seiten mit vielen Abbildungen, Ortsregister, Klappenbroschur
3. Auflage
12,90
EUR
ISBN 3-933336-02-3
Der 1. Weltkrieg kostet
Deutschland Millionen Tote und riesige Volksvermögen. Er geht verloren
und mit ihm das Kaiserreich. Inflation und Arbeitslosigkeit belasten alle
Schichten der Bevölkerung. In der Gesellschaft rumort es. Not und
Entbehrung sind an der Tagesordnung, viele geraten durch die Weltwirtschaftskrise
ins soziale Aus. In dem Buch erzählen 52 Zeitzeugen über ihre
Kindheit in den bewegten Jahren zwischen Kaiserreich Hitlers Machtantritt
und lassen diese Zeit wieder lebendig werden...
Wie ist das, wenn plötzlich die Preise explodieren? Frieda Stübing
erinnert sich noch gut an das Jahr 1921: „Mit einem 20.000-Markschein
ging ich einkaufen, bekam dafür ein Pfund Kakao für 14.000 RM,
ein Pfund Zucker für 1.600 RM und zwei grüne Heringe für
2.500 RM“.
Die Kluft zwischen Arm und Reich wurde immer größer. Paul F.
Wagner zog als Sechsjähriger mit seinem Vaters von Dorf zu Dorf.
Der Vater reparierte Schuhe im Tausch gegen Lebensmittel. Gab es nichts
zu besohlen, mußten sie betteln, um nicht zu hungern.
Eben noch erfolgreiche leitende Angestellte erlebten den sozialen Abstieg.
Annemarie Frisch entsinnt sich, wie ihre Familie 1923 die Nürnberger
Vorortvilla mit dem großen Garten verlassen mußte. Für
Kindermädchen und Sportauto fehlte plötzlich das Geld.
Auf dem Land halfen die Kinder sehr früh bei der Arbeit. So mußte
Ernst Bunzenthal schon mit vier Jahren Ziegen hüten. Für Zärtlichkeiten
hatte seine Mutter wenig Zeit, sie verzehrte sich im Kampf ums tägliche
Brot. „Die vier Kinder immer satt zu bekommen war schwer, denn es
gab ja kein Kindergeld.“
Den Kindern wurde Zucht und Ordnung abverlangt. „Das Knicksen und
Dienern übten wir in der Schule, die Hände mußten, wenn
nicht geschrieben wurde, gefaltet auf dem Tisch liegen“, erinnert
sich Marie Stade an ihre einklassige Schule im Jahr 1924. Notfalls half
ein Hieb mit dem Stock nach.
Die neue Technik begeisterte. Wenn 1922 der Zeppelin kam, erzählt
Ludwig Eberbach, stürzten alle Schüler der Oberrealschule in
Friedrichshafen ans Fenster, ohne den Protest des Lehrers zu beachten.
Die Ereignisse kumulieren auch politisch. Immer öfter wird ohne ein
stabiles Ergebnis gewählt - bis die letzte Wahl 1933 auf weiteres
jede Wahlmöglichkeit ausschließt, und der braune Mob das Land
regiert ...
Ein wichtiges Buch zum Erinnern und Verstehen. Viele Texte sind mit persönlichen
Fotos illustriert. Ein Ortsregister erleichtert die Orientierung.
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