Lebertran
und Chewing Gum,
Kindheit in Deutschland 1945–1950
55 Geschichten
und Berichte von Zeitzeugen
Band
14 der Reihe ZEITGUT.
361 Seiten mit vielen Abbildungen, Ortsregister, Chronologie,
gebunden,
12,90 EUR
ISBN 3-933336-23-6
Frankfurt am Main, April 1945. Die knapp zehnjährige Helga hat sich von
der Landverschickung allein ins heimatliche Frankfurt durchgeschlagen.
Nur die Oma trifft sie dort an, die ausgeharrt hatte, um der Familie das
Anrecht auf die Wohnung zu erhalten. Helgas Mutter und die kleine Schwester
sind noch in Hof an der Saale evakuiert, der Vater in einem amerikanischen
Kriegsgefangenen-Lager festgehalten. Das Mädchen lungert bei den amerikanischen
Kasernen herum, um für sich und die Oma Essen zu beschaffen. „Das Wichtigste
war, täglich Lebensmittel zu organisieren und Wasser heranzuschleppen“,
erinnert sie sich. „Die GIs gaben mir Unterwäsche und Socken zum Waschen
und Stopfen mit“, die Oma besorgte das Waschen, Ausbessern und Bügeln,
die kleine Enkelin machte den Transport und handelte mit den Soldaten
aus, was sie im Tausch dafür bekommen sollten. Später geht sie „Kippen
stechen“, um aus dem Tabak von Zigarettenkippen, neue Zigaretten zu drehen,
die sie auf dem Schwarzmarkt verkauft.
So beginnt ein eindrucksvolles Zeitdokument über die Jahre 1945 bis 1950.
In dem Buch „Lebertran und Chewing Gum“ zeigen 55 unterschiedliche Zeitzeugen-Erinnerungen,
wie deutsche Kinder damals lebten, und was sie dabei fühlten.
Das Mädchen Elfriede wohnt in den Jahren 1945 und 1946 mit ihren Eltern
und zwei Geschwistern in Hamburg-Lurup in einer Kleingarten-Kolonie. Dorthin
war die Familie vor den Bombenangriffen auf die Hamburger Innenstadt geflohen.
Das Häuschen, das sie bewohnen, hatte der Vater zu Anfang des Krieges
als Gartenhaus aus Fischkisten-Brettern gebaut. Mit einer Fläche von 36
Quadratmetern ist es für fünf Personen wahrlich eng. Auch für sie dreht
sich das Leben vornehmlich ums Essen. Sie schildert genüßlich das tägliche
Ritual in der Schule, wenn der Hausmeister den Kindern das „Schwedenessen“
in den Henkelmann schüttet.
Renate Dziemba erlebt schon im Dezember 1945 in Berlin, wie ihr Vater
überraschend aus der Gefangenschaft heimkehrt: „Er war so unheimlich groß
und so unheimlich dünn,“ erinnert sie sich.
Die Hinterlassenschaften des Krieges verlocken zu gefährlichen Spielen.
Der zwölfjährige Friedrich Ebert erleidet beim Zündeln mit Benzin schwere
Verbrennungen. Ein amerikanischer Soldat rettet ihm das Leben. Fast ein
Jahr liegt der Junge in Thüringen im Krankenhaus, derweil die halbe Familie
bereits aus der Evakuierung zurück in die saarländische Heimat zieht.
Es gibt keine Transportmöglichkeit für Friedrich.
Die Erinnerungen der Zeitzeugen sind wichtig und kostbar. Mit den Einblicken
in ganz persönliche Schicksale läßt sich die Zeit gut verstehen. Auch
junge Leser werden gefesselt und betroffen sein.
Die Texte des Buches werden von Fotos und Dokumenten der Autoren begleitet.
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