Zwischen Kaiser und Hitler
Kindheit
in Deutschland 1914–1933
47
Geschichten und Berichte von Zeitzeugen
368 Seiten mit vielen Abbildungen,
Chronologie, Ortsregister, gebunden.
Zeitgut Verlag, Reihe ZEITGUT, Band 15
ISBN
3-933336-16-3, EUR 12,90
„Ich
wünsche mir zu Weihnachten einen Vater“, bittet der zehnjährige Ernst
Haß seine Mutter. Der in der Kaiserlichen Flotte dienenden Vater ist
bei einer Seeschlacht gegen England umgekommen. Ob der Wunsch in Erfüllung
ging, erzählt die erste Geschichte eines Buches mit Kindheitserinnerungen
aus schicksalhaften deutschen Jahren.
Wie erlebten Kinder den Ersten Weltkrieg und das Ende des Kaiserreiches?
Wie kam die Inflation über die Menschen? Was war golden an den „Zwanzigern“?
Wie empfanden Kinder den technischen Fortschritt mit Radio, Kino und
Auto? Die erstaunlich lebendigen Zeitzeugenberichte geben viele gute
Antworten zum damaligen Alltagsleben.
Eine arbeitsame Idylle jener Jahre schildert Ursula Löbner: Das geordnete
Leben auf Gut Hammelspring in der Uckermark und die täglichen Ponykutschfahrten
zum Lyzeum in
Templin.
Auch hier verändert der Krieg vieles: „Das Vieh wurde
aus
den Stallungen geholt, Kartoffeln und Getreide beschlagnahmt. Für die
eingezogenen Arbeiter bekamen wir französische Kriegsgefangene.“
Bei Kriegsende gelingt hier der Neuanfang leichter als in der Stadt,
wo es an Kaufkraft und Rohstoffen fehlt. „Für unsere Familie waren die
Zwanziger Jahre eine arme Zeit“, erzählt Gertrude J. Seeliger. „Wir
Kinder bekamen gegen den schlimmsten Hunger Quäker-Speisungen: Milchsuppe
und ein dunkles Brötchen.“ Stadtkinder werden aufs Land verschickt und
hochgepäppelt.
Die Kriegsfolgen führen zur Inflation. 1923 verliert auch Ludwig Eberbachs
Vater alles Vermögen. Weil der Schmiedemeister eine größere Werkstatt
aufbauen will, hatte er Häuser und Grundstücke verkauft. Sein Bargeld
auf dem Bankkonto verfällt binnen kurzem zum Nichts.
Als mit der Rentenmark wieder stabiles
Geld
kursiert, schöpfen die Menschen Mut und begeistern sich für die stürmische
Technikentwicklung. Walter H. Moshammer erinnert sich: „Seit 1923 konnte
man in Berlin Radio hören. Irgendwann hatte Onkel Felix einen Kristall-Detektorempfänger
und Kopfhörer mitgebracht“. Wenige der ersten Radiogeräte besitzen einen
Lautsprecher.
In den Haushalten weichen die Petroleum- und Gaslampen dem elektrischen
Licht. Der Bubikopf wird modern, junge Frauen lassen sich die Röcke
kürzen. Traute Siegmund erzählt, wie sie zum ersten Mal „laufende Bilder“
sieht: Kino!
Mitten in die Aufbruchstimmung hinein schlägt 1929 der „Schwarze Freitag“
an der New Yorker Börse. Die Weltwirtschaftskrise läßt binnen kurzem
ein
Heer
von Arbeitslosen entstehen. Hitlers Heilversprechen fallen auf fruchtbaren
Boden.
Mit zahlreichen Fotos und Dokumenten der Autoren illustriert, vermitteln
die Erinnerungen ein lebendiges Bild des Alltagslebens in Deutschland.