Halbstark und tüchtig
Jugend
in Deutschland 1950-1960
48
Geschichten und Berichte von Zeitzeugen
320 Seiten mit vielen Abbildungen, Chronologie,
Ortsregister, gebunden.
Zeitgut Verlag, Reihe ZEITGUT, Band 17
ISBN
3-933336-17-1, EUR 12,90
Der Start ins Leben
Die schweren Jahre der Nachkriegszeit gehen zu Ende, der wirtschaftliche
Aufschwung wird spürbar. Unter den damals jugendlichen Zeitzeugen
macht sich ein neues Selbstbewußtsein breit.
Sie erhalten Taschengeld und sparen auf neue Fahrräder oder Mopeds.
Die jungen Leute wollen fremde Kulturen und andere Menschen kennenlernen.
Uns Jugendlichen wird diese Welt zu eng, schreibt Agnes Setzepfand.
Wir sind 15, 16 Jahre alt und träumen von Reisen und Abenteuern.
Und die Jugendlichen lehnen sich gegen Verbote und Vorschriften auf. Der
Rock´n Roll, die unmögliche amerikanische Musik,
wird zum Ausdruck einer Generation, die eine bessere Zukunft erwartet.
Doch müssen sich die meisten Jugendlichen ihre neuen Möglichkeiten
erst einmal hart erarbeiten. In vielen Haushalten ist das Geld knapp,
und Lehrstellen sind rar. Lehrlinge werden oft als billige Arbeitskräfte
angesehen. Zwei Wochen Jahresurlaub und 45 Mark Lehrgeld im Monat sind
Standard.
Aus dem sowjetisch besetztenTeil Deutschlands berichten Jugendliche über
die Lebensumstände in der DDR. Durch die Bodenreform wurden
alle Bauern entschädigungslos enteignet, die mehr als 100 Hektar
besaßen, ebenso die Ritter- und Kirchengüter, schreibt
Manfred Vogel. Um weiteren Repressalien zu entgehen, flohen viele
Betroffene in den Westen. Als Landwirte sind seine Eltern von früh
bis spät auf den Beinen, um das staatliche Abgabesoll zu erfüllen
und obendrein die Familie zu ernähren. Soll er diesen Beruf wählen?
An mir haftete der Makel, kein Arbeiter- oder Bauernkind zu sein,
erzählt Ursula Fiessler. Meine Eltern waren auch nicht in der
SED. Beides war in der DDR für den gewünschten Berufsweg neben
guten Leistungen häufig ausschlaggebend.
Manches kleine Ereignis läßt heute schmunzeln. So wird Gertraud
Berg zum Einsatz in der Landwirtschaft abkommandiert. Die Amerikaner
haben schon wieder Kartoffelkäfer über den Feldern der landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaft abgeworfen, hört sie von ihrem Vorgesetzten.
Verdreckt, verschwitzt und wütend kommt sie am Abend nach Hause.
Dieser Tag sollte ihr auch aus einem anderen Grund im Gedächtnis
bleiben. Es war der 17. Juni 1953, der Tag des Volksaufstands in der DDR.
Mein Bruder erzählte an diesem Abend, daß er im Leipziger
Hauptbahnhof miterlebt habe, wie Männer von einer Leiter aus das
übergroße Stalinportrait an der Wand abstürzen ließen,
erinnert sie sich. In vielen Beiträgen wird über den 17. Juni
1953 berichtet.
Hautnah zeichnen die Zeitzeugen ein Bild ihres Alltags. Große und
kleine Begebenheiten stehen nebeneinander. Mancher Leser wird sich in
den Geschichten wiederfinden, doch auch den Jüngeren bieten sich
Einblicke, die in Lehrbüchern nicht auftauchen. Ein wichtiges Zeitdokument
der jüngeren deutschen Geschichte ist entstanden.
Die Texte des Buches werden von Fotos und Dokumenten der Autoren begleitet.
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