Zwei
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[Ammensen im Hils, Niedersachsen; 1933] Das
Gedicht Ich lebte
mit meinen Eltern, meinen Geschwistern und meiner Großmutter in
einem kleinen Dorf im Hils. Meine Großmutter war damals schon
sehr krank. Sie hatte als Kulturfrau so nannte man die Waldarbeiterinnen
im Wald in ständiger Nässe gearbeitet. Damals gab es
weder Hosen für Frauen noch wasserdichte Arbeitskleidung. Als Folge
dieser Arbeit war meine Großmutter halb gelähmt. Neben ihrem
Bett stand immer ein Gehstock, mit dessen Hilfe sie mühsam ein
paar Schritte zu ihrem Sessel gehen konnte. Eines Tages
kam ich aus der Schule und erzählte ihr, daß wir in der Schule
das Theaterstück Hänsel und Gretel einstudierten.
Es sollte in der Gastwirtschaft aufgeführt werden. Ich weinte bitterlich,
weil meine ältere Schwester eine Hauptrolle erhalten hatte und
ich nur ein Gedicht aufsagen durfte. Nachdem unser Lehrer sein Einverständnis gegeben hatte, verbrachte ich beinahe jede freie Stunde bei der Großmutter und lernte das Gedicht, bis ich es auswendig konnte. Der große Tag rückte näher, und das gesamte Dorf freute sich schon auf den Sonntag der Aufführung. Da wurde meinen Eltern und uns Geschwistern plötzlich alle Freude genommen: Unsere Großmutter hatte für immer die Augen geschlossen. Nun wollten meine Schwester und ich auf keinen Fall mehr an der Aufführung teilnehmen, denn die Beerdigung war ebenfalls für diesen Sonntag angesetzt worden. Unser Lehrer war darüber ganz verzweifelt, weil in der Kürze der Zeit niemand mehr die Rolle meiner Schwester lernen konnte. So ließen wir uns doch noch überreden. Damals
gab es noch keine Leichenhalle, die Toten wurden zu Hause aufgebahrt.
Mein Vater, der von dem Gedicht wußte, bat mich, es zu Ehren meiner
Großmutter bei der Trauerfeier aufzusagen. Aber ich wollte und
konnte nicht. Erst abends, bei der Aufführung des Märchens,
gelang es ihm, mich zu überreden. Unter Tränen sagte ich es
auf: Und
Jahre kommen und vergehen, Man erzählte mir später, daß an diesem Abend nicht nur meine Tränen geflossen sind.
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[Ortelsburg, Masuren, Ostpreußen;1937] Muttertag Jeden
Morgen gehe ich auf meinem Schulweg an dem großen Modegeschäft
mit den schönen Kleidern und Mänteln vorbei. Seit Wochen
liegt ganz vorne im Schaufenster ein wunderschöner blauer Chiffonschal
mit weißen Tupfen. Es muß der gleiche sein, den Olga Tschechowa
- sie war damals eine große Filmschauspielerin - in ihrem letzten
Film trug.
50 Geschichten
und Berichte von Zeitzeugen. 360 Seiten mit vielen Abbildungen, Ortsregister,
gebunden. Download
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