Bild: zeitgut Buchcover
Heinz Hellmich
Mit Zimt und Zucker
Erinnerungen aus Fredeburg
1941-1954

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Ostern 1946 in Bad Fredeburg

Bild Hubert Giere
Rrr rrr rrr rrr... scholl es ab Gründonnerstag dreimal am Tag in Fredeburg. Dann zogen die Meßdiener mit ihren Tarren weiter. Foto von Seite 61: Hubert Giere, Bad Fredeburg


aus "Mit Zimt und Zucker" von Heinz Hellmich

(...) Am Aschermittwoch gingen wir alle zur Kirche, um uns das Aschenkreuz auf die Stirn machen zu lassen, und damit begann die sechswöchige Fastenzeit. »In dieser Zeit darf man keine Süßigkeiten essen, und an jedem Freitag wird gefastet«, wurden wir von unserer Mutter belehrt. »Aber es ist ja sowieso kaum etwas zum Essen aufzutreiben, darum wird sich auch nicht viel ändern.«

Ab Gründonnerstag läuteten die Kirchenglocken nicht mehr. »Die sind nach Rom geflogen«, hieß es, »die kommen erst in der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag zurück.« Was mit den Glocken in Rom angestellt wurde, war mir nicht so ganz klar. Tatsache aber war, dass sie nicht mehr zu hören waren. Stattdessen zogen die Messdiener in Reih und Glied, jedoch ohne die sonst üblichen Gewänder in normaler Kleidung durch die Stadt und veranstalteten mit ihren so genannten Tarren (Klappern aus Holz) ein lautes, sonderbares Geräusch im Rhythmus ihrer Schritte. Rrr rrr rrr rrr rrr ... hörte man am Morgen, am Mittag und am Abend anstelle des sonst üblichen Läutens.

In der Osternacht erklangen aber alle Glocken wieder wie gewohnt zur Auferstehungsmesse, die feierlich in der Kirche gelesen wurde. Am Schluss wurden Feuer und Wasser geweiht, und jeder entzündete an dem Feuer ein Windlicht und nahm es mit nach Hause, um damit das Herdfeuer anzuzünden. Die Gläubigen nahmen auch von dem gesegneten Wasser einige Flaschen mit, damit sie das ganze Jahr genügend Weihwasser im Hause hatten.

Am Karsamstag hatten meine Schwester und ich im Wald ein wenig Moos gesammelt und für jeden im Garten ein Nest gebaut. Nun, am Morgen des Ostersonntages, stürmten wir,kaum dass wir richtig angezogen waren, die Treppe hinunter in den Garten, um nachzusehen, ob der Osterhase unsere Nester auch gefunden hatte. Und tatsächlich, darin lagen bunt gefärbte Eier und einige Süßigkeiten, die wir in die Taschen unserer Schürzen steckten. Unserer Mutter zeigten wir aufgeregt, was uns der Osterhase gebracht hatte.

Auf den Feldern außerhalb von Fredeburg wurden am ersten Ostertag drei große Feuer angezündet. Verantwortlich dafür waren die jeweiligen Stadtteile Altstadt, Unter- und Oberstadt. Wir Kinder hatten schon während der Fastenzeit viele Baumäste und Reste, die beim Holzfällen übrig geblieben waren, aus dem Wald in Form von so genannten Bunden zu den vorgesehenen Feuerstellen geschleppt. Für jeden war es Ehrensache, so viele Bunde wie möglich abzuliefern.           
Bild Hubert Giere
Aufbau des Fredeburger Osterfeuers in den 1930er Jahren. Foto von Seite 63: Hubert Giere, Bad Fredeburg

Am Gründonnerstag wurde die Menge der Bunde dann festgestellt, und es gab für je fünf eine Zuckerbrezel. Die Brezeln wurden auf einem Stock aufgereiht und stolz mit nach Hause genommen. Karsamstag begannen dann viele Helfer damit, die Osterfeuer aufzubauen. Zunächst wurden vier etwa 10 Meter hohe Fichtenstämme in einem Quadrat von ungefähr 3 mal 3 Metern aufgestellt, untereinander mit Streben aus Holz fest verbunden und mit dem Brennmaterial gefüllt, das wir Kinder gesammelt hatten. Diese großen Türme wurden immer erst am Nachmittag des Ostersonntages fertig gestellt.

Die jungen Burschen hatten in der Karwoche ihre großen Fackeln hergestellt. Sie bestanden aus ölgetränkten Lumpen, die um das Ende von langen Stöcken gewickelt waren, und lagen nun zum Einsatz bereit. Sobald von der Kirche Glockengeläut zu vernehmen war, wurden die Feuer alle gleichzeitig angezündet. Es kam dabei darauf an, die Holztürme so schnell wie möglich von oben nach unten an allen vier Seiten zu entzünden, um ein schönes, gleichmäßiges Abbrennen zu erreichen. Vom Burgberg, der mitten in Fredeburg lag, waren alle drei Osterfeuer zu bewundern. Tagelang wurde noch erbittert darum gestritten, welcher Stadtteil das schönste Feuer abgebrannt hatte. (...)

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