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Unvergessene Weihnachten. Band 7
30 besinnliche und heitere Zeitzeugen-Erinnerungen.
192 Seiten mit vielen Abbildungen, Ortsregister,
Gebundene Ausgabe mit Lesebändchen
ISBN: 978-3-86614-203-9, EURO 8,90
Taschenbuch-Ausgabe
ISBN: 978-3-86614-183-4, EURO 6,90
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Unvergessene Weihnachten
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Die Holzhünchen (2.848 Zeichen)
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Das Drama mit den Weihnachtsstollen (2.314 Zeichen)
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Heiligabend auf der Davidwache (5.340 Zeichen)
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Unvergessene Weihnachten. Band 7
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Das Weihnachts-Wunschkind (gekürzte Fassung)
Raymonde Prior
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Noch heute stehe ich staunend vor der Krippe. Es sind nicht nur die sentimentalen Kindheitserinnerungen, die mir vor Glück und Dankbarkeit ein Gänsehautgefühl geben. Für mich hat Weihnachten fast vierzig Jahre später eine ganz besondere Bedeutung bekommen.
Es geschah 1998. Inzwischen war ich 43 und hatte aus meiner ersten Ehe einen siebenjährigen Sohn, dem ich immer Geschwister wünschte, denn ich als Einzelkind hätte so gerne einen großen Bruder gehabt. Aber auch das emsigste Bestreuen der Fensterbank mit Brotkrumen hatte mir damals leider nicht geholfen, den Storch anzulocken. Mit Michael, meiner großen Liebe, die mir nach der Scheidung der Himmel geschickt hatte, endeten jedoch alle Versuche, noch ein heißersehntes gemeinsames Kind zu bekommen, in Fehlgeburten. Aus der Traum. Oder es noch einmal wagen – mit 43 Jahren? Sollten wir das Risiko auf uns nehmen?
Wir hatten doch schon zwei wunderbare Kinder: ich meinen Sohn Jerome und Michael die damals zehnjährige Mareike. Die Ärzte ermutigten uns zu einem letzten Versuch.
Ostern 1998 besuchten wir meine Schwiegermutter und gingen dort in Borgentreich zu einer Lourdes nachempfundenen Marien-Wallfahrtsstätte. Viele Dankesschilder deuteten darauf hin, daß sich wohl etliche Bitten der Besucher erfüllt hatten. Leise betete ich vor der großen Marien-Statue: „Bitte, bitte, ich hätte so gerne noch ein Kind!“
Keinem sagte ich etwas davon. Kurze Zeit später war ich erneut schwanger! Mein Mann und ich behielten diese große Freude diesmal für uns. Wie oft hatten wir gejubelt und dann…
Wochenlang bangten wir um unser Kleines. Mein Mann erzählte mir nun, daß auch er in der Mariengrotte um ein Kind gebeten hatte. Es war diese stille Gemeinsamkeit, die uns seitdem besonders stark miteinander verband!
Wir taten alles, um unser Baby zu behalten. Dieses letzte Mal durften wir es nicht wieder verlieren. Und es blieb! Nach Wochen besorgten Hoffens ermunterten uns die Ärzte, zuversichtlich zu sein. Würden wir wirklich demnächst zu fünft sein? Wir konnten unser Glück kaum fassen und verrieten nun endlich den völlig überraschten Sieben- und Zehnjährigen das große Geheimnis. Ein Termin stand nun ganz groß in unseren Herzen: der 26. Dezember 1998! War es Zufall, daß sich dieser kleine Junge ausgerechnet das Weihnachtsfest als Geburtstag ausgesucht hatte?
Die Adventszeit gestalteten wir natürlich so romantisch wie immer. Als Adventskalender verwendeten wir 24 Babysöckchen, die nun eine ganz besondere Bedeutung hatten. Mit jedem Tag waren wir unserem Baby ein Stückchen näher. Wie sehr freuten wir alle uns nun auf Weihnachten!
Wieder wurden am Tag vor dem Heiligen Abend die Geschenke verpackt, der Christbaum geschmückt. Spät in der Nacht bauten wir noch die alte Krippe auf und legten das Christkind hinein – das Wichtigste, das Weihnachten erst seinen Sinn gibt. Zwei Uhr morgens war es schon, als wir erschöpft, aber zufrieden schlafen gehen wollten. Weihnachten konnte jetzt für uns und unsere Kinder kommen. Und da bezog sich unser Kleiner nun auch schon mit ein. Er wollte nicht erst am zweiten Weihnachtstag dabeisein, sondern schon am Heiligen Abend wie das Christkind unter dem Weihnachtsbaum liegen; wollte seine Geburt feiern, Weihnachtslieder hören, den Glanz der Kerzen sehen. Unser Baby drängte ungeduldig hinaus ins Leben. Das große Wunder nahm seinen Lauf. Ausgerechnet jetzt – eine schöne Bescherung! Nun hieß es also wieder: Warten auf das Christkind, diesmal auf unser eigenes!
Heiligabend um 19.25 Uhr erblickte unser Sohn das (Weihnachts-)Licht der Welt! Zur besten Bescherungszeit, die man sich für unser schönstes Weihnachtsgeschenk nur denken konnte! Als man mir das in ein weißes Handtuch gewickelte Baby brachte, war es, als ob ich ein Geschenk auspackte, und sichtbar wurde ein kleines orangen-ähnliches rundes Gesicht mit wachen erstaunten Augen: Da bin ich!
Der Arzt in Herdecke schlug für unseren kleinen Sohn sofort den Namen Noel – französisch: Weihnachten – vor. Wir hatten uns aber vorher schon für Joel entschieden. Erst Wochen später stellten wir fest, daß Joel am 13. Juli Namenstag hat. An diesem Tag hatten Michael und ich uns kennengelernt und auf den Tag genau sieben Jahre später vor dem Traualtar gestanden! Wieder ein Zufall?
Nun lag Joel am späten Heiligen Abend neben mir auf dem nackten Bauch seines Papas, der ihm leise Weihnachtslieder vorsummte. Das Licht war schummrig, nur eine Kerze brannte, die drei nette Schwestern wie drei Heilige Könige mit dem schönsten Weihnachtslied der Welt hereingebracht hatten. Dazu gab es einen Weihnachtsteller mit Mandarinen und Plätzchen und ein Paar Babyschühchen, selbstgestrickt aus hellblauer Wolle mit Glitzerfäden: Joels erstes Weihnachtsgeschenk! So hat das Lied „Stille Nacht, Heilige Nacht“ eine ganz persönliche, einzigartige Bedeutung bekommen. Unser Wunder war geschehen: Der Himmel hatte uns ein eigenes Christkind beschert!
Unser Sohn wuchs heran; nun ist er schon zwölf Jahre alt. Er liebt das Weihnachts-Geburtstagsfest mit all den traditionellen Kleinigkeiten, die schon für mich immer dazu gehörten, wie der kleine alte Esel, der nun im Kinderzimmer und Weihnachten im Krippenstall steht. Jedes Jahr genießt er es, wenn seine Geschwister für ihn aus voller Überzeugung mit uns das Geburtstagslied „Wie schön, daß du geboren bist...“ singen. Joel ist eben ein echtes Weihnachtskind. Und ab und zu besucht er mit uns sein Dankesschild in der Mariengrotte.
An seinem zweiten Geburtstag sitzt Joel Weihnachten 2000 auf dem Skateboard seines Bruders Jerome.
Ostern 1999 haben wir in der Mariengrotte in Borgentreich bei Warburg das Dankesschild angebracht.
Das mißachtete Weihnachtsgeschenk
Sigrid Kröger
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Auf meiner Wunschliste an das Christkind stand: „Ich möchte gerne ein Märchenbuch haben!“
Anscheinend war ich lieb gewesen, denn das Christkind brachte mir gleich drei Bücher. Ich sehe sie noch heute vor mir: Die Umschläge waren grauglänzend mit einem bunten Titelbild. Ich bekam „Rotkäppchen und der Wolf“, „Aschenputtel“ und „Schneewittchen und die sieben Zwerge“. Weil ich noch nicht lesen konnte, schaute ich mir die Bilder an. Meine Oma versprach, mir die Geschichten vorzulesen.
Am ersten Weihnachtstag kam meine Tante mit Vetter Rolf zu Besuch. Weder mein Vater noch mein Onkel waren anwesend. Zumindest zeigt sie mir meine Erinnerung nicht, und ich nehme an, daß sie keinen Heimaturlaub bekommen hatten – es war ja Krieg! Wie immer tobte ich mit Rolf in der kleinen Wohnung herum, und keine der Mütter oder die Oma schimpften, weil wir zu laut waren. Gegen Abend steigerte sich unser Übermut, wie das bei kleinen Kindern so ist.
Rolf meinte: „Komm, wir spielen Fangen.“
Ausgerechnet meine neuen Märchenbücher suchte er dazu aus, und wir warfen sie quer durch den Raum, um sie zu fangen oder auch fallen zu lassen.
Plötzlich stand meine Mutter im Zimmer. Ich hatte sie noch nie so wütend gesehen, und der Wut folgte Traurigkeit. Stillschweigend nahm sie uns die Bücher ab und legte sie wieder unter den Weihnachtsbaum.
Am nächsten Morgen lief ich ins Wohnzimmer zu meinen Büchern. Oh Schreck – da war kein einziges Buch mehr!
„Ja“, sagte meine Oma, „das Christkind hat sie wiedergeholt und wahrscheinlich einem Kind gebracht, das achtsamer mit seinen Geschenken umgeht!“
Ich war unglücklich und weinte sehr. Abends betete ich zum Christkind, es möge doch nicht mehr böse sein und mir die schönen Bücher wiederbringen – ich würde auch von nun an mit meinen Spielsachen immer vorsichtig umgehen.
Mein Gebet wurde erhört. Am nächsten Tag lagen die Bücher wieder unter dem Weihnachtsbaum. Ich kann mich heute noch erinnern, welch ein Glücksgefühl das war!
Was allerdings in meinem Inneren noch nagte, war die Erinnerung an das traurige Gesicht meiner Mutter.
Viel später erklärte mir meine Oma, warum meine Mutter so traurig war. In der Kriegszeit hatte das Christkind Schwierigkeiten, den Kindern ihre Wünsche zu erfüllen, und somit mußten die Mütter helfen, diese Spielsachen zu besorgen. Schweren Herzens hatte meine Mutter etwas, das ihr sehr wichtig war und woran sie sehr hing, gegen diese Bücher eingetauscht, um mir meinen Wunsch zu erfüllen. Welcher Gegenstand das war, habe ich nie erfahren.
Meine neuen Märchenbücher und ich Weihnachten 1942.
Die Holzhühnchen
Elfriede Michalik
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Weihnachten steht vor der Tür. Geschäfte, Basare und Märkte laden zum Einkaufsbummel ein. Da gibt es wohl nichts, was es nicht gibt. Die Auswahl ist groß und die Wahl fällt oft schwer. Leider aber wird die erwartungsvolle und besinnliche Adventszeit von Hiobsbotschaften aus aller Welt getrübt. Erinnerungen kommen auf. Erlebnisse aus der Jugend. Erkenntnisse aus einer Zeit, in der der Wert des Menschen nicht nur nach Reichtum und Macht gemessen wurde.
Ich denke an die Vorweihnachtszeit im Jahre 1943. Das einzige, was es im Übermaß gab, waren Verwüstung, Elend, Trauer und Tod. Dazu Kälte und viel Schnee. Hohe Berge säumten Straßen und Gassen. Weiße Weihnachtstage standen bevor. Doch leider tobte überall dieser grausame Krieg.
Ich war sieben Jahre alt und begriff das alles schon irgendwie. Mutter ließ mich an allem teilnehmen. Sie beschönigte nichts. So lernte ich, daß Hunger, Leid und Entbehrung die Menschen hart treffen können; trotz aller Kinderfreuden, die natürlich auch ich erlebte. Ich wußte schon genau, daß ich dankbar sein mußte für eine warme Wohnung, für eine karge Mahlzeit. Viele Menschen hatten selbst das nicht.
Deshalb lag es mir auch völlig fern, überhaupt nur an ein Spielzeug als Weihnachtsgeschenk zu denken. Für mich hatte ich keinen Weihnachtswunsch. Für meinen kleinen zweijährigen Bruder schon. Für ihn hätten Mutter und ich gerne ein Spielzeug besorgt. Wir wollten ihn unbedingt beschenken. In den Jahren zuvor hatte Großvater für uns Enkel geschnitzt und gebastelt, Pferdchen, Wagen und Puppenmöbel. Doch sein Material war ausgegangen. Es gab einfach nichts mehr.
Der zweite Adventssonntag brachte sehr viel Schnee. Ich stand am Fenster und sah den tanzenden Flocken zu. Dabei beobachtete ich einen Mann, der trotz bissiger Kälte auf der Straße stand und auf sich aufmerksam machte. Mutter meinte, es sei einer der russischen Kriegsgefangenen, die in den Fabriken unserer Stadt arbeiten mußten. Oft gruben sie im Garten nach Wurzeln, um sich zu ernähren.
Hunger tut weh und macht erfinderisch. Jener Mann auf der Straße wollte ein selbstgebasteltes Spielzeug für ein Brot tauschen. Ich sehe es heute noch vor mir. Es war eine Holzplatte in Form eines Tischtennisschlägers. Darauf waren sechs buntbemalte Hühner platziert. Bewegte man das Ganze, fingen diese an zu picken und ein klapperndes Geräusch entstand. Genau das richtige für meinen Bruder.
Unsere Mutter überlegte nicht lange. Ihre Brotzuteilung bekam dieser Gefangene. Wir aßen in den nächsten Tagen Kartoffeln, Kartoffeln und nochmal Kartoffeln. Dafür aber durften wir doppelte Freude erleben, als wir am Heiligabend in das glückstrahlende Gesicht des Kleinen sahen; eine Freude, die ich so nie mehr empfunden habe. So wurden die schlichten russischen Hühnchen auch für Mutter und mich zum schönsten Weihnachtsgeschenk.
Das Drama mit den Weihnachtsstollen
Leonore Brode
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Was ich hier erzählen will trug sich in Meißen, meinem damaligen Arbeitsort, in der Adventszeit 1959 zu.
Für die Weihnachtsbäckerei, besonders das Stollenbacken, war es in jenen Jahren äußerst problematisch, die Zutaten zu bekommen, die den „Dresdner Christstollen“ zu dem werden lassen, was der Name verspricht. Glücklich konnten sich die Familien schätzen, die im ersehnten Paket Mandeln, Zitronat und Rosinen aus dem Westen geschickt bekamen.
Es war im sächsischen Raum üblich, daß man alle Zutaten zum Bäcker trug. In den Backstuben wurde der Teig bereitet, dann schob der Bäcker die Stollen in den Backofen. Nach dem Abkühlen des Backwerks, meist am Abend, holten die Familien ihre Stollen nach Hause.
Auf meinem Heimweg von der Arbeit kam mir eines Abends auf der Elbebrücke ein Mann entgegen, der auf der Schulter ein Kuchenbrett trug, auf dem vier oder fünf große Stollen lagen. Er kam gewiß aus einer der Backstuben, und zu Hause wartete die restliche Familie auf die weihnachtliche Köstlichkeit. Die Stollen waren schwer, das Brett muß ihn wohl stark auf die Schulter gedrückt haben. Ich sah, wie er das Brückengeländer nutzen wollte, um die Last auf die andere Körperseite zu verlagern. Er setzte das Brett ab, drehte sich etwas zur Seite – da kam einer der Stollen ins Rutschen. Sofort versuchte der Mann, nun wenigstens die übrigen zu retten. Doch der maßlose Schreck ließ alle Bewegungen völlig unkoordiniert ausfallen, und es geschah das Unglaubliche: Ein Stollen nach dem anderen rutschte in rasantem Tempo vom Brett über die Brücke, klatschte unten ins Wasser und versank in den Fluten der Elbe.
Was mag dem Bedauernswerten wohl in diesem Moment alles durch den Kopf gegangen sein?
Auf jeden Fall brodelte wohl auch eine maßlose Wut in ihm, denn ich konnte beobachten, wie er das Brett den Stollen hinterher ins Wasser warf, auf dem Absatz kehrtmachte und in der Richtung davonging, aus der er gekommen war. – Sicher brauchte er jetzt eine Gastwirtschaft, wo er den ersten Frust hinunterspülen konnte, bevor er mit der Hiobsbotschaft den Seinen daheim unter die Augen trat.
Ich kann mir vorstellen, daß sich diese Familie jedes Jahr wieder an die Stollengeschichte erinnert. Hoffen wir, daß sie nun, nach so vielen Jahren, auch darüber schmunzeln kann!
Auf der verschneiten Elbbrücke in Meißen beobachtete ich das Malheur mit den Weihnachtsstollen.
Heiligabend auf der Davidwache
Werner Steffen
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Foto Davidwache »
Hamburg-St. Pauli; 1946 - Der Hamburger Stadtteil St. Pauli liegt an diesem Heiligabend im Dunkeln. Nur vor der Davidwache brennt eine Straßenlampe. Auf den Trümmerstraßen huschende Gestalten; aus Fenstern, Kellern und Notunterkünften dringt trübes Licht. Schornsteine und die vielen aus Fenstern ragenden Ofenrohre lassen Rauch in den frostigen Himmel aufsteigen. Nur wenige Kneipen und Gaststätten haben geöffnet, auf den Tischen brennen „Hindenburglichter“. Nicht selten sind die Fenster mit Holz vernagelt. Wände und Eingänge zeigen defekte Reklameschilder von Biersorten, die es nicht mehr gibt. Stattdessen werden „Molkebier“ und Kartoffelschnaps angeboten.
Hamburg leidet in diesem Winter 1946 unter einer langen Kältewelle mit Temperaturen zwischen minus 15 bis minus 20 Grad. Die Polizisten der Wache hungern und frieren wie die meisten Menschen. Auch für Polizeiwachen gibt es in zwölf Stunden nur zwei Stunden Strom. Karbidlampen erhellen notdürftig den Wachraum während der Nacht, und ein kleiner Ofen verbreitet ein bißchen Wärme.
Die Nebenstraßen zeigen deutlich die Spuren des Krieges: Trümmerberge, ausgebrannte Häuser, Ruinen, Feldbahngleise zur Schuttbeseitigung. Ein eisiger Wind bläst von Osten, Eisschollen treiben auf der Elbe, nur wenige Schiffe liegen im Hafen.
In den erhalten gebliebenen Lokalen auf der Reeperbahn herrscht Betrieb. Wer Beziehungen hat, kann bei „Onkel Hugo“, im „Heckel“, „Jürs“, „Alkazar“, „Schmidt“, „Rittins“ und in der „Kajüte“ auch ein Essen bekommen. In der Herbertstraße dagegen ist wenig los.
Über die Reeperbahn fährt die Straßenbahnlinie 6 – ein Motorwagen mit zwei Anhängern – in Richtung Altona. Die Bahn ist gut besetzt, nur die sonst üblichen Trittbrettfahrer fehlen. Eine englische MP-Streife folgt der Bahn. Kurz danach bimmelt die Linie 14, von den Landungsbrücken kommend, über die Kreuzung Reeperbahn/Davidstraße. Einige Fenster der Bahn sind mit Pappe vernagelt. Wenige Kraftfahrzeuge, einige Radfahrer, die von der Arbeit im Hafen kommen.
Im Schwarzmarktgebiet zwischen Hamburger Berg und Talstraße zeigt sich in diesen Stunden wenig Publikum. „Knopf’s Lichtspielhaus“, eines der wenigen Kinos, spielt heute Abend nicht. Somit fehlt auch das Polizeiaufgebot, um die drängelnden Menschen zur Ruhe zu bringen.
Dunkles Licht im Wohnbunker Reeperbahn. Zwanzig Stufen unter der Erde befindet sich hier ein vollbelegtes Männerwohnheim mit Luftschutzbetten und Blechschränken, dicht an dicht. In einer Ecke steht ein kleiner Tannenbaum. Die Stimmung ist überall auf dem Tiefpunkt, zumal die Lebensmittelversorgung mangelhaft ist – selbst für die Feiertage gab es keine Sonderzuteilungen – und Heizmaterial fehlt ebenfalls. Auch Tannenbäume und Kerzen sind Mangelware.
Unzerstört ist auf St. Pauli die Davidwache, das 36. Polizeirevier. Auch hier gibt es nur trübes Licht. Die Polizisten im Wachraum, alte und junge, tragen unter der Uniform alles, was warm hält. Pullover sind begehrte Artikel. Der Wachbetrieb kennt auch am Heiligabend keine Pausen; eine Doppelstreife verläßt das Gebäude. Ihre Bewaffnung besteht aus einem Holzknüppel und einer Schußwaffe mit fünf Patronen für jeweils zwei Beamte. Zwei weitere Beamte gehen in die Bernhard-Nocht-Straße zum Postenstehen vor einem englischen Soldatenheim. Dort müssen sie auch einen großen Berg Kohlen bewachen. Eine schwierige Angelegenheit, weil alle Deutschen frieren.
In der Wache herrscht die alltägliche Atmosphäre: Wieder einmal erfahren die Diensthabenden, daß in einer Kellerwirtschaft selbstgebrannter Methylalkohol ausgeschenkt wird. Schnapsausschank ist verboten, aber nicht zu verhindern. Zwei englische Soldaten betreten die Wache. Sie suchen ihre Einheit, die in Hamburg sein soll. Flüchtlinge und Hilfesuchende klagen ihr Leid. Die Polizisten hören sie an und helfen, wenn sie eine Möglichkeit dazu sehen. Aber oft müssen sie resignieren. Auch sie frieren, hungern und schlafen zum Teil in den Polizeirevieren, weil sie keine Unterkunft haben. Es ist bitter, wenn selbst einer Flüchtlingsfrau nicht geholfen werden kann, der man die letzten Schuhe gestohlen hat.
Auch die Festgenommenen haben sich hauptsächlich Eigentumsdelikte und Schwarzmarktvergehen zuschulden kommen lassen. Jetzt müssen Berichte darüber angefertigt und sichergestelltes Diebes- und Schwarzhandelsgut registriert werden. Für illegale Geschäfte gilt die Zigarettenwährung. Eine Zigarette ist sieben bis acht Reichsmark wert.
Ein Unfall beim Holzsammeln in den Trümmern wird gemeldet. Schnelle Hilfe ist nötig. Dann brechen Beamte zu einem Einsatz in einer Kneipe auf. Dort wird gerade ein Streit mit Messern ausgetragen. Unterdessen betritt ein Seemann aus Brasilien die Wache. Er fühlt sich von einem Mädchen übervorteilt und will seinen Bohnenkaffee zurück. Echter Bohnenkaffee ist eine Kostbarkeit.
Ein Tannenbaum mit einigen wenigen Lichtern steht in der Wache, um den sich diensthabende und die hier untergekommenen dienstfreien Beamten versammeln. Die Stunden, in denen die Männer hier mit einem sogenannten Heißgetränk und einem Stück Stollen für jeden beieinander sitzen, geben ihnen das Gefühl, eine große Familie zu sein. Jonni Schlüter, der Chef, spricht einige Worte. Man könne nicht menschlich genug sein, sagt er dabei. Ich bin mit zwanzig Jahren der jüngste Beamte der Davidwache und werde diesen Satz nie vergessen.
Die Davidwache im Hamburger Stadtteil St. Pauli, Deutschlands kleinstes (0,92 km2), aber sicherlich berühmtestes Polizeirevier, in einer Aufnahme aus den 50er Jahren. Das 1914 fertiggestellte rote Backsteingebäude an der Reeperbahn hatte den Zweiten Weltkrieg ohne größere bauliche Schäden überstanden. Hier begann ich nach meiner Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft am 1. März 1946 meinen Dienst als Wachpolizist.
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