Wir Kinder vom Lande
Wir Kinder vom Lande
Unvergessene Dorfgeschichten. Band 6
1916-1976. Zeitzeugen-Erinnerungen.
256 Seiten mit vielen Abbildungen, Ortsregister.
Zeitgut Verlag, Berlin.
Klappenbroschur
ISBN 978-3-86614-227-5

Cover downloaden:
Cover (CMYK-Modus) »
Cover (RGB-Modus) »

 

Drei kostenfreie Abdrucktexte

Unvergessene Dorfgeschichten aus Baden-Württemberg, Niedersachsen und NRW
Die folgenden Texte stellen wir Ihnen gern zum kostenfreien Abdruck zur Verfügung. Als Gegenleistung erwarten wir von Ihnen lediglich die Veröffentlichung eines Quellen-Hinweises mit bibliografischen Daten (siehe links) und einem kleinen Buchcover von mindestens 30 mm Breite. Zudem bitten wir um ein Belegexemplar. Herzlichen Dank!
                                       ________________

Einen Pressetext zu den Dorfgeschichten finden Sie hier »

Bitte informieren Sie uns, wenn Sie eine Veröffentlichung unserer Texte planen. Die Fotos in Druckqualität senden wir Ihnen gerne auf Anfrage zu. E-Mail: info@zeitgut.com       

Band 6. Wir Kinder vom Lande

Buchcover Illegale Hühner und ein betrunkenes Säule
2 Episoden (6.235 Zeichen)
Geschichte von Elise Deuschle aus dem Jahr 1939
Beutelsbach im Remstal, Rems-Murr-Kreis, Baden-Württemberg

PDF »
Vorschau anzeigen Foto zum Text.
Schrecken im Dorf: „D Hennazähler (der Hühnerzähler) kommet!“
Hühner (jpeg, 300 dpi) »
Als der Krieg ausbrach, war ich gerade zur Schule gekommen und einfach zu jung, um zu begreifen, was Krieg heißt, zumal es auch in jener Zeit öfter mal etwas zu lachen oder zumindest zu schmunzeln gab. So ist mir jener Tag noch gut in Erinnerung, als vom anderen Ende der Straße eine Frau gerannt kam und meiner Mutter zurief: „Karlena, d Hennazähler kommet!“

Dazu muß ich sagen, daß man damals verpflichtet war, von jeder Henne eine bestimmte Anzahl Eier abzuliefern. Das war aber schier unmöglich, weil sich immer wieder einmal eine Henne den Teufel um das ihr auferlegte Soll scherte und einfach keine Eier mehr legte. So war man gezwungen, einige Hühner „schwarz“ zu halten. Meine Mutter machte da keine Ausnahme. Jeder wird verstehen, daß ihr der Schreck gehörig in die Knochen fuhr, als sie hörte, wer da im Anmarsch war. Die Behörden, natürlich in Kenntnis der Tricks der Hühnerhalter, wollten durch Kontrolle die Sünder dingfest machen und schickten, immer wieder unverhofft, die Schrecken verbreitenden Hühnerzähler. Wie alle anderen im Ort wollte auch Mutter sich nicht erwischen lassen. Wer zahlt schon gerne Strafe, obendrein in einer Zeit, wo in keinem Haus viel Bargeld war?

Mutter überlegte nicht lange und rannte in den Hühnerstall, wo sie unter den Hennen ein fürchterliches Durcheinander anrichtete. So leicht lassen sich Hühner nämlich nicht einfangen. Und auf die Schnelle schon gar nicht. Aber die Not verlieh Mutter ungeahnte Fähigkeiten. Schon waren die fünf überzähligen Illegalen in ihrer großen Schürze verschwunden, sprang sie damit ins Haus, eilte die alte Holztreppe nach oben, riß die Bühnentür auf, ließ die Hühner hineinflattern und schlug sie wieder zu. Noch etwas Gezeter war zu vernehmen, dann war Ruhe. Höchste Zeit, denn die Obrigkeit klopfte bereits an der Haustür. Nach kurzer Zeit hieß es: „Keine Beanstandung, gemeldeter Hühnerbestand in Ordnung.“

Ich Knirps hatte mich derweil vors Haus gesetzt und wartete gespannt. Da geschah das Unerwartete. Noch heute steht die Szene vor meinem inneren Auge wie eben erst passiert. Gerade als die Hühnerzähler – es waren zwei Männer – aus unserem Haus traten, flog mit großem Gegacker die erste Henne zum Bühnenlädle, dem kleinen Fenster ganz oben am Hausgiebel, hinaus! Und die Nächste! Und alle anderen! Meine Mutter stand da wie Lots Weib, ehe es zur Salzsäule erstarrte. Ich fing an zu weinen, weil ich Mutter schon im Gefängnis sah, mindestens aber im dunklen Arrestle. Wie erlösend war es, als die Männer zu lachen anfingen und einfach nicht aufhören konnten. Immer wieder hörte ich sie sagen, sie hätten ja schon viel erlebt, aber so etwas noch nicht. Das Schönste dabei aber war: Das Ganze hatte kein Nachspiel, unsere Welt war wieder in Ordnung.

* Zweite Epsisode

In Zeiten der Not ist alles reglementiert. Nicht nur die Hühner wurden gezählt, auch alle anderen Nutztiere. Schließlich ging es darum, Abgaben ländlicher Produkte wie Fleisch und Eier für all jene einzutreiben, die in den Städten hungerten. Allerdings waren die Abgaben so berechnet, daß den Haltern der Tiere oft gerade das Nötigste zum Leben geblieben wäre. Also meldeten sie oft weniger Tiere, als sie tatsächlich besaßen. Auch wir hatten damals nicht nur „schwarze“ Legehennen, sondern auch ein „schwarzes“ Säule. Was sich mit ihm zutrug, muß ich auch noch erzählen: Eines Tages verkündete mein Vater, daß wir künftig zwei Schweine mästen wollen, aber nur eines anmelden. Alle würden es so machen, nur wir hätten uns bis jetzt an das Gesetz gehalten und dafür leere Wurstdosen. Meine Mutter hatte Angst. Mir wurde täglich eingetrichtert, nur ja niemandem davon zu erzählen. Ich hielt dicht, was mir oft schwer fiel. Neben dem eigentlichen Schweinestall, den jeder betreten konnte, gab es einen Gang und dort hinten war der Verschlag für unser „schwarzes“ Säule. Alles ging gut, es wuchs heran und freute sich seines Lebens. Eines Tages hieß es, im Laufe des Tages käme eine Kontrolle. Was tun? Sich darauf zu verlassen, daß sich unser nicht registriertes Säule mit vollem Bauch ruhig verhalten würde, war zu riskant. Wir verfielen darauf, ihm Schnaps zu geben. Aber woher sollten wir wissen, wie viel so ein Schwein braucht, um nicht zu sehr besoffen, aber doch still zu sein? Lieber zuviel als zuwenig! Also nichts wie rein. Es wurde ihm tüchtig Alkohol ins Maul geschüttet. Bald schlief das Viechle selig, und wir atmeten auf.

Wieder waren es zwei Männer, die bald darauf durch den Viehstall gingen, die Tiere zählten und zum Schluß noch das angemeldete Schwein besichtigen wollten. Naseweis, wie ich damals schon war, ging ich kleiner Gartenzwerg natürlich mit. Denn hier wurde es spannend, und das durfte ich auf keinen Fall versäumen. Als wir den Gang zum offiziellen Schweinestall betraten, hörte ich schon ein schnapsseliges Schnarchen. Mein Vater offenbar auch, denn er fing sofort sehr laut zu sprechen an. Er redete wie ein Wasserfall, und ich sah auf seiner Stirn Schweißperlen stehen. Einer der beiden Kontrolleure fragte, warum er denn so schreie, sie würden gut hören. So jung ich auch war, wußte ich doch, daß auf ein nicht angemeldetes Schwein eine größere Strafe stand als auf ein paar „schwarze“ Hühner. Ich sah Vater in großer Bedrängnis und hörte schon meine Mutter sagen: „Dui Schand überleb i net!“

Da kam mir eine Blitzidee – gedacht, getan. Ich fing lauthals zu singen an. Ob es mitten im Sommer „Leise rieselt der Schnee“ war oder ein anderes Weihnachtslied, wie später behauptet wurde – ich weiß es nicht mehr. Und dazu hüpfte ich zwischen den Männern hin und her und war vor Quirligkeit und Lebenslust nicht zu bremsen. Die taten einen Blick in den Schweinestall, und da dort alles in Ordnung war, gab es wohl keinen Hinderungsgrund, diesen Teil des Hauses wieder zu verlassen. Einer der mir fremden Männer strich mir beim Hinausgehen noch über den Kopf und sagte: „Bist du aber ein fröhliches Kind!“

Als wir allein waren, meinte mein Vater: „Bischt scho a rechte Lompagrott“ (das sollte bedeuten: ein aufgewecktes, schlaues, kleines Mädchen). Und dazu lachte er. Ich aber fühlte mich als Heldin, denn ich hatte ja Vater vor dem Gefängnis und Mutter vor der großen Schande bewahrt. Übrigens: Das betrunkene Säule schlief noch zwei Tage.
Buchcover Das Schweinebad (2.745 Zeichen)
Geschichte von Margret Holthaus aus dem Jahr 1950
Lorup im Emsland, Niedersachsen

PDF »
Vorschau anzeigen Foto zum Text.
„Putt, putt ...!“ Glückliche freilaufende Hühner auf unserem Bauernhof.
Hof (jpeg, 300 dpi) »
Vorschau anzeigen Foto zum Text.
Mein Bruder und meine Schwester mit unserem Hund.
Geschwister (jpeg, 300 dpi) »
Das Leben auf dem Bauernhof war früher wesentlich vielseitiger als heute. Die Unterschiede kenne ich noch aus meiner Kinderzeit. Spezielle Mastställe gab es damals noch nicht. Deshalb tummelten sich viele Tiere – Kühe, Schweine, Schafe oder auch Gänse und Enten – auf dem Hof. Wir hatten viele Hühner und eine Glucke, die ihre Küken noch selbst ausgebrütet hat. Menschen und Tiere lebten unter einem Dach. Nur ein langer Flur trennte Wohnbereich und Stallungen voneinander.

Bei den Tieren traten, genau wie bei den Menschen, auch Krankheiten auf, die von den Bauern meistens mit einfachen Hausmitteln auskuriert wurden. Einmal, so erinnere ich mich, hatte sich unter den Ferkeln eine Schuppenflechte ausgebreitet. Nun war guter Rat teuer. Den hatte der Tierarzt zwar parat, aber er hatte damals kaum Medikamente zur Verfügung. Also mußten wir mit dem Fahrrad viele Kilometer bis zur nächsten Stadt zurücklegen, um die verordnete Seife für die Tiere zu bekommen. Als wir sie besorgt hatten, erwies sich das Baden der Ferkel als eine schwierige Prozedur. Das Wasser wurde in unserem großen Wasserkessel erhitzt, auf Badetemperatur gebracht und in eine Zinkwanne gefüllt, worin mein Bruder die Ferkel badete. Das gefiel den Ferkeln überhaupt nicht. Sie wehrten sich so sehr, daß auch wir dabei pitschnaß wurden.

Plötzlich standen zwei junge Mädchen in der Tür – und staunten! Sie kamen aus Berlin und waren zu Besuch bei ihrem Onkel, der in unserer Nachbarschaft ein Textilgeschäft führte. In Berlin hatten sie keine Gelegenheit, sich auf einem Bauernhof umzusehen. Natürlich hatten sie nicht damit gerechnet, daß sich auf unserem Hof sogar Schweine in der Wanne tummelten, wo doch damals selbst für Menschen selten eine Badegelegenheit bestand. Interessiert schauten sie deshalb dem Treiben bei uns zu und fanden den Anblick der eingeseiften Kerlchen spannend wie im Tierfilm.

Die Sau im Stall war wohl vom Quieken ihrer Ferkel beunruhigt. In ihrer Aufregung hatte sie hektisch den Mist mit der Schnauze aufgewühlt und sah entsprechend aus. Nun wollten die Mädchen wissen, ob denn auch die Mutter der Ferkel ein Bad bekäme. Es sähe ja ganz danach aus, daß sie es nötig hätte. Als wir mit dem Kopf nickten, wollten sie auch gleich wissen, wie man denn so eine dicke Sau in die Wanne befördere. Mein Bruder Matthias hatte gleich eine Erklärung parat. Nach dem Ferkelbaden brauche er nur die Wanne in den Stall zu stellen, die Sau würde sich dann von allein hineinsetzen. Sie müsse dann nur noch eingeseift werden. Die beiden Mädchen waren von der Sache so sehr angetan, daß sie gleich ihrem Onkel davon erzählten. Dem verschlug es fast die Sprache, als er sich davon überzeugen konnte, daß bei uns die Ferkel tatsächlich gebadet wurden!
Abdrucktext Der Ehering (3.431 Zeichen)
Geschichte von Hans Birwe aus dem Jahr 1945
Bei Kevelaer am Niederreihen, Nordreihen-Westfalen

PDF »
Der Krieg war endlich vorbei, aber die Wunden, die er allenthalben geschlagen hatte, konnten nicht übersehen werden. Fast alle größeren deutschen Städte waren mehr oder weniger stark zerstört. Viele Menschen, soweit sie überhaupt noch eine Bleibe hatten, hausten in Kellern, Hausruinen, Behelfsheimen oder auch in Luftschutzbunkern, die notdürftig umfunktioniert worden waren. Besonders schwer hatten die Frauen unter der Not zu leiden, deren Männer vermißt, in Gefangenschaft geraten oder gar gefallen waren. Nicht selten standen sie nachts auf, um stundenlang bei eiskaltem Winterwetter in einer Menschenschlange vor einem Brotgeschäft auszuharren, bis die Lieferung eintraf. Die geringen Rationen, die es auf Lebensmittelkarten gab, reichten nicht aus, um satt zu werden. Oft bekam man nicht einmal diese. Mitunter war das Warten in der Schlange vergeblich, weil das letzte Brot wenige Kunden vorher verkauft wurde. Dann war die Enttäuschung der leer Ausgehenden grenzenlos.

In diesen Zeiten unternahmen viele Menschen in ihrer Verzweiflung weite Hamsterfahrten, um bei Bauern einige Kartoffeln, etwas Gemüse oder gar kostbare Nahrungsmittel zu erbitten. Wer nichts als Tauschobjekt anbieten konnte, bekam selten etwas. Oft wurden die Bittsteller abgewiesen, nicht weil die Bauern so hartherzig gewesen wären, sondern weil sie sich der Scharen von Bittstellern nicht erwehren konnten. Manchmal wurden die Landleute sogar bestohlen, wenn fremde Hände große Teile ihrer Felder im Schutze der Nacht abernteten. In der Umgebung von Kevelaer, einem bekannten Marien-Wallfahrtsort am Niederrhein, suchte eine Mutter, deren Mann als vermißt gemeldet worden war und die nicht mehr wußte, wie sie ihre Kinder ernähren sollte, einen Bauern auf, den sie um etwas Eßbares bitten wollte. Als der Bauer feststellte, dass die Frau ihm nichts zum Tausch anbieten konnte, wies er sie ab. Die Frau war so verzweifelt, daß sie zu weinen begann. Da entdeckte der Bauer an der rechten Hand der Frau ihren goldenen Ehering und forderte sie auf, ihm diesen zu geben. Ein paar Kartoffeln und einen schmalen Streifen Speck wäre er ihm wert. Die Frau zögerte. Als der Bauer sich jedoch entfernen wollte, ohne sie weiter zu beachten, streifte sie den Ring vom Finger und gab ihn hin. Sie erhielt die zugesagten Nahrungsmittel, war aber so verzweifelt, daß sie dem Ortspfarrer von ihrer schlimmen Erfahrung berichtete. Der war darüber sehr erzürnt. Er versprach der Frau, sich um die Angelegenheit zu kümmern.

Am Sonntag darauf – damals waren die Gottesdienste noch sehr gut besucht – hielt der Pfarrer eine „Strafpredigt“ über die Hartherzigkeit mancher Menschen. Arme Leute, hob er hervor, hätten oft mehr Mitleid mit anderen Notleidenden als solche, die echte Not nie kennen gelernt und immer satt zu essen gehabt hätten. Zum Schluß erzählte er die Geschichte der Frau, ohne Namen zu nennen. Allerdings forderte er den Sünder indirekt auf, den Ehering am nächsten Sonntag in den Klingelbeutel zu legen. Anderenfalls würde er in der Kirche laut den Namen des „Übeltäters“ verkünden. Als der Küster am folgenden Sonntag den Beutel leerte, fand er neben dem Ring der Frau vier weitere Eheringe. Die Frage, ob es damals in der Gegend bei den Bauern nichts Ungewöhnliches war, Lebensmittel gegen Eheringe einzutauschen, oder ob der betreffende Bauer ein Sammler war, konnte nie geklärt werden. Jedenfalls hat man danach nichts dergleichen mehr gehört.  

Buchtipps

zur Übersicht Reihe Zeitgut
Buchcover Reihe Zeitgut Band 31
Im Konsum gibts Bananen
Alltagsgeschichten aus der DDR
1946–1989
Mehr erfahren »
Unsere Heimat - unsere Geschichten Band 30. Unsere Heimat - unsere Geschichten. Wenn Erinnerungen lebendig werden. Rückblenden 1921 bis 1980
Mehr erfahren »
Als wir Räuber und Gendarm spielten Band 29. Als wir Räuber und Gendarm spielten. Erinnerungen von Kindern an ihre Spiele. 1930-1968
Mehr erfahren »
Klick zum Buch "Trümmerkinder" Band 28. Trümmerkinder
Erinnerungen 1945-1952
Mehr erfahren »
Klick zum Buch "Kriegskinder erzählen" Band 27. Kriegskinder erzählen
Erinnerungen 1939-1945 
Mehr erfahren »
zum Shop
Klick zum Buch "Späte Früchte" Florentine Naylor
Späte Früchte für die Seele
Gedanken, die das Alter erquicken
Mehr erfahren »
Klick zum Buch "Momente des Erinnerns" Momente des Erinnerns
Band 3. VorLesebücher für die Altenpflege
Mehr erfahren »

Navigationsübersicht / Sitemap

zum Shop  |   Bestellen  |   Gewinnen  |   Termine  |   Leserstimmen  |   Wir über uns  |   Lesecke
Modernes Antiquariat  |   Flyer  |   Plakate  |   Schuber  |   Lesezeichen  |   Postkarten  |   Aufsteller  |   Videoclip  |   Dekohilfe  |   Anzeigen

Themen