Ein tierischer Hochzeitstag

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Mit einem "Disco"-Anhänger versehen, diente unser Trabi auch zum Transport der Sau zur Schweinehochzeit.
von Bärbel Böhme

Ende der 60er Jahre; Seehausen und Podelwitz bei Leipzig, Sachsen, damals DDR

Gewöhnlich verbringt man seinen Hochzeitstag zu zweit oder mit den Kindern in gemütlicher Runde. Von besonderen Ereignissen wird erzählt und angestoßen auf weitere harmonische Ehejahre. Bei uns verlief ein 17. Dezember - nämlich unser Hochzeitstag - Ende der 60er Jahre ganz anders.

Wie zu DDR-Zeiten auf dem Dorf üblich, hielten viele Einwohner Schweine, Hühner, Kaninchen und andere Haustiere, um den Speisezettel zu bereichern und die Haushaltskasse aufzufüllen. So grunzte auch bei uns eine Jungsau im Stall, die ausgerechnet an diesem Tag Hochzeit machen wollte und sollte. Der Wunschbräutigam, ein stattlicher Zuchteber, wohnte etwa vier Kilometer entfernt im Nachbardorf. Mit viel Mühe verfrachteten wir also die Sau auf einem sogenannten Disco-Hänger, einem kleinen Autoanhänger, der mit Preßplatten aus Pappe rundum verkleidet war. Der Hänger sollte von unserem braven Trabi gezogen werden. Los ging es also über die Verbindungsstraße von Seehausen nach Podelwitz. Ein Schlagloch immer breiter und tiefer als das vorherige, Schneeregen und Dunkelheit. Links am Weg eine lange Hecke und rechts freies Feld. Der Hänger hüpfte brav hinter dem Trabi her. Plötzlich ein Knirschen und Krachen!

Nach dem Aussteigen blickten wir in ein ebenso verdutzt dreinschauendes Schweinegesicht. Die Pappe hatte nicht standgehalten und das Schwein steckte seinen Kopf laut grunzend aus dem klaffenden Loch. Mir wurde übel vor Angst bei der Vorstellung, das Tier könnte sich vollends aus dem Hänger befreien, und wir müßten es auf dem matschigen Feld verfolgen. Eine Horrorvorstellung!

Mein Mann sicherte die Öffnung notdürftig, und nach kurzer Zeit erreichten wir ohne weitere Zwischenfälle den Hof, wo sich der Eber befand. Die Hochzeit fand statt, und unsere Sau wurde in einem geliehenen richtigen Schweinetransportkasten wieder zurückkutschiert.

Das Ergebnis waren zehn quicklebendige, rosige Ferkelchen. Aber das Drama ging weiter: Unsere Sau war eine miserable Mutter. Sie schleuderte ihre Kinder mit der Schnauze durch den Stall und griff jeden, der sich ihr näherte, mit lautem Grunzen an. So wurden die Ferkel in einem großen Korb in den Nachbarstall bugsiert und ihr nur zum Säugen angelegt. Sobald ihrer Meinung nach die Zeremonie beendet war, war artistisches Können gefragt. Mein Mann mußte sich und die Ferkel mit einem Sprung über die Mauer schnell in Sicherheit bringen. Es waren turbulente Wochen, bis die Ferkel selber schnell genug durch ein in die Trennwand gestemmtes Loch vor ihrer Mutter flüchten konnten.

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