Leseprobe aus dem Buch:
Buchcover
Zu Hause fremd
Fritz Bonow

Dorfleben in Hinterpommern
1945-1957
80 Seiten, Broschur
ISBN 978-3-933336-58-3

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Ausreise mit Hindernissen

Fotoquelle Bonow
Zwischenstation Berlin. Die Familie nach der Ausreise aus Pommern im Jahr 1957. Mein Bruder links, meine Eltern in der Mitte und ich rechts mit Diva.
Kratzig, Kreis Kolberg, Hinterpommern - heute Kraśnik Koszaliński

von Fritz Bonow aus "Zu Hause fremd"

Im Frühjahr 1954 musste ich mit einem LKW in die umliegendenDörfer fahren, um Futtergetreide für das Vieh aufzutreiben, weil allesverbraucht war. Neben mir waren noch zwei polnische Mädchen auf dem offenenLKW, die in unserem Dorf arbeiteten.
In einem Dorf im Kreis Kolberg warf uns jemand bei unsererAbfahrt einen kleinen Hund auf den Wagen. Unglaublich. Ich konnte gerade nochverhindern, dass die Mädchen ihn während der Fahrt wieder runterschmissen.
Ich nahm das arme Tier mit nach Hause, in der Hoffnung,irgendjemand würde mir den kleinen Hund schon abnehmen, denn wir hatten bereitszwei Hunde. Ein dritter wäre nun doch zu viel gewesen. Noch am gleichenNachmittag versuchte ich, ihn loszuwerden, hatte aber keinen Erfolg.

Für die Nacht nahm ich das Hündchen dann mit auf mein Zimmerund zu meinem Erstaunen blieb alles sauber. Und das bei einem so jungen Tier!
Ich entschied, den Hund, besser gesagt, die Hündin, zubehalten. Mit etwas Benzin entfernte ich von ihrer Schwanzspitze die grüneLackfarbe, mit der sie sich irgendwo beschmiert hatte, und vernichtete damitauch gleich die Hundeflöhe.
Gerhard Marx war es, der der Hündin den Namen Diva gab, weilsie mit ihren vier weißen Pfoten und dem kleinen, weißen Strich auf der Brust beiihrem sonst schwarz glänzenden Fell recht hübsch aussah.
In den nächsten Tagen wollten dann doch ein paar Leute Divahaben. Zu spät, ich gab sie nicht mehr her. Wir sollten in Zukunft noch eineMenge Spaß miteinander haben.

Als dann im Jahr 1957 unsere Ausreise endgültig bevorstand,musste ich mich entscheiden, was mit Diva werden sollte. Auf meine Bemerkung,ich würde sie mitnehmen, erntete ich nur Kopfschütteln.
Am 16. Juli 1957 war es so weit, wir konnten Polen verlassen.Aus Angst, man könnte uns die Ausreise verweigern, wenn wir ein Ziel im Westenangäben, hatten wir uns für einen Transport in die DDR angemeldet.
Wochen zuvor hatte ich mit Diva geübt, dass sie sich ineinen Grammophonkoffer legt, was für den Übergang über die Grenze gedacht war,denn Hunde durften in die DDR nicht eingeführt werden. Mit Nadeln stach ichkleine Löcher in eine Ecke des Koffers, damit Diva in ihrem Versteck auch Luftbekam.
In unserem Abteil fuhr die Frau von Schuster Apel mit, dieschon jahrelang bettlägerig war. Harry Hardt und ich hatten sie ins Abteilgetragen, denn ihr Mann ging am Stock und konnte es selbst nicht tun. Auf derFahrt zur Grenze schnarchte Frau Apel so laut, dass ich trotz Müdigkeit langenicht einschlafen konnte.
Vor Frankfurt/Oder hielt der Zug. Ich war gerade eingenickt,als ein polnischer Zöllner ins Abteil kam und stichpro­benweise unsere Kofferkontrollierte. Er griff sich einen, der direkt neben dem leeren Koffer, der fürDiva vorgesehen war, lag. Der Zöllner hätte sich sicher gewundert, wenn erbemerkt hätte, dass das Gepäckstück leer war.
Zum Glück ging alles gut. Während ich Ängste ausstand, saßDiva still unter der Bank und wurde bei der Grenzkontrolle nicht entdeckt.

Nach unserer Ankunft am nächsten Tag in Fürstenwalde musstenwir uns zunächst in ein Lager begeben, das zwar mit Stacheldraht eingezäunt,aber nicht bewacht war und dessen Tor offen stand. Beim Anblick des Lagerskamen mir zwangsläufig Erinnerungen an vergangene Zeiten.
Den Hund müsste ich abgeben, hieß es, als wir uns im Lageranmeldeten, doch ich weigerte mich entschieden. Irgendetwas würde mir schoneinfallen, um die Sache zu regeln.
Wir erhielten je Person 50 Ostmark und man verlangte vonmir, sofort für den Hund einen Maulkorb zu kaufen. Ich zog los und fand auchein Geschäft in Fürstenwalde, wo ich für Diva dieses Zubehör bekam. Ich bandihn ihr gleich um. Es sah schon verrückt aus, Diva konnte ihren Kopf drehen,wie sie wollte, der Maulkorb blieb immer in einer Richtung. Er war zu groß, esgab aber nur eine Größe.
Vorsichtig hörte ich mich um, wie man von hier am bestennach Westberlin kommt. Nachdem ich einige Informationen gesammelt hatte undmein Entschluss feststand, fragte ich meine Eltern und meinen Bruder, ob siesich anschließen wollen. Meine Eltern sagten sofort zu, mein Bruder schwieg vorerstdazu.

Am Tag darauf, am 18. Juli 1957, sollten wir mit dem Zug zuunserem Bestimmungsort weiterfahren. Da wir beschlossen hatten, uns gemeinsamabzusetzen, nahmen wir heimlich einen Zug früher. Es klappte auch alles, wirfuhren Richtung Berlin.

Bis Köln gab es noch einige Hürden zu überwinden. Welchelesen Sie auf den letzten Seiten im Buch „Zu Hause fremd“.

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